Zwischen den Jahren

Januar

von Luisa

Nun sind wir wieder beieinander nach Tagen bei unseren Verwandten und anderswo. Nach Tagen voller Essen, Geschichten erzählen aus der Fuchsmühle, mit Fragen gelöchert werden und etwas Abstand gewinnen. Wir nannten es liebevoll „Gemeinschaftsurlaub“ und genossen alle das wegfahren und dann auch das wiederkommen.

Von unsichtbaren Händen, Gespenstern und Stille
Die letzten Wochen, seitdem ich zuletzt Worte für den Newsletter in die Tasten tippte, waren der ökonomischen Dimension der Transformation gewidmet. Wie prägt die Art, wie wir wirtschaften unser Zusammenleben? Welche Formen von Wirtschaft sind sichtbar, welche unsichtbar? Wie wollen wir uns ökonomisch hier auf dem Land aufstellen? Und wie kaufen wir nun eigentlich diese Mühle?

Der Monat begann in Stille. Wir nahmen uns drei Tage, die wir mehr oder weniger schweigend verbrachten, um mehr in die Leere zu kommen. Wie soll man auch sonst wieder etwas füllen, wenn wir alle permanent übervoll sind? Wir huschten leise aneinander vorbei in unserem Haus, das sonst immer mit Klängen gefüllt ist und mit Menschen, die beständig vor sich herplappern. Die Stille ließ uns tiefer sinken und brachte uns bei, dass wir manchmal gar keine Worte brauchen um einander zu verstehen. Vielleicht sind sogar weniger Worte manchmal mehr?

Dann mit einem improvisiertem Theaterstück, in dem die wesentlichen Akteure vertreten wurden: Die unsichtbare Hand kam vorbei, der homo oeconomicus, die klebrigen Schulden, das Geld mit verschiedenen Stimmen und Marx. Wir sammelten Themen und Fragen, die uns interessierten und luden Menschen ein, die uns digitale Vorträge gaben, zu denen wir auch Menschen andernorts einluden.

 

Vorlesungen im Wohnzimmer
Eine davon war Andrea Vetter, die uns etwas über feministische Ökonomie erzählte. Wir erforschten den Eisberg der Ökonomie, bei dem nur das sichtbar ist, was auf dem Markt getauscht wird (Lohnarbeit, Börsen ect.) und wo das unsichtbar bleibt, was wir als Sorgetätigkeit oder Naturproduktivität beschreiben. In unserem Zusammenleben wird oftmals Lohnarbeit als die eigentliche Arbeit angesehen und der rationale homo oeconomicus der sich um nichts sorgt und nicht umsorgt werden muss ist der Protagonist des derzeitigen Wirtschaftssystems.
Wir sprachen darüber, wie es uns selbst mit unseren Tätigkeiten im Haus und Hof geht. Übrigens war plötzlich wieder unser Hausgespenst, das Genderthema im Raum. Mit ihm freunden wir uns langsam an, auch wenn es uns diesem Monat wirklich oft erschreckte – aber dazu gleich mehr. Mehr über feministische Ökonomie könnt ihr hier lernen: https://www.youtube.com/watch?v=SI1zy3pDK0E

In der nächsten Woche luden wir Anil Shah von der Uni Kassel ein, der uns eine Übersicht über die Degrowth Bewegung gab. Degrowth oder Postwachtum beschäftigt sich mit Theorien, wie ein wachstumsbefreites Wirtschaften möglich sein kann. Auf einem begrenzten Planeten kann es kein unbegrenztes Wachstum geben, mehr dazu gibt’s hier: https://www.youtube.com/watch?v=p2WqmkCX5cs

Um Degrowth ging es auch bei einem Vortrag von Henning Austmann, der eigentlich BWL in Hannover lehrt. Er stellt sich gemeinsam mit dem Leuten aus seiner Region die Frage, wie ein regionaler Wandel in Richtung Degrowth aussehen könnte, hat auch schon viel umgesetzt und dafür einige Preise abgesahnt:
https://www.youtube.com/watch?v=v5_pOqdVi64

Vernünftiges und Unvernünftiges

Ihr seht: Wir werden immer klüger! Aber haben wir denn auch was Vernünftiges geschafft?

Ob es vernünftig ist oder nicht (oder können wir diese Wertungen mit dem homo oeconomicus gemeinsam begraben?), vieles ist auch ganz praktisch geschehen. Wir haben weiter an unserer Küche, den Schlafzimmern und dem Vorratslager gebaut, einen riesigen Haufen Brennholz gestapelt (erschreckende 14 Tonnen!), unseren Garten weiter angelegt, noch mehr Büsche geschnitten und fleißig Weihnachtsgeschenke gestrickt. Auch unser Verein ist nun endgültig eingetragen, sodass wir bald Spenden empfangen können. Außerdem wurde unsere Genossenschaftssatzung erfolgreich geprüft! Menschen können nun getrost ihr Geld bei uns parken, das haben wir nun schwarz auf weiß!

 

Aufregendes und aufregenderes

Am alleralleraller aufregendsten für uns war allerdings etwas anderes: Unser Crowdfunding. Schon allein der Prozess des Videos war ein Fest an Erkenntnissen und Lernerfahrungen und das Gespenst des Patriachats spukte nicht schlecht durch unsere Planungen. Wir lernten viel darüber, wie die Weise, in der wir weiblich oder männlich sozialisiert wurden, beeinflusst, wie wir unsere Ideen und unsere Zweifel in Prozesse einbringen. Dabei beobachteten wir, wie die männlich sozialisierten Menschen oft mehr gehört wurden und Frauen* ihre Ideen eher zurückstellten und sich klein machten. Es war ein wilder Tanz von Verantwortungsabgabe in den sich auch noch unterschiedliche Geschwindigkeiten und Arbeitsweisen mischten und am Ende lagen wir (einige von uns wörtlich) mit verknoteten Beinen am Boden und wussten nicht mehr weiter. Wir steckten fest im Sumpf des Spätpatriachats und vergossen viele Tränen der Scham und der Wut.

Wir haben das dann mit dem Patriarchat natürlich nicht gelöst. Aber die Wertschätzung für einander, sich unseren Prozessen zu zeigen war riesig und das Vertrauen in einander wuchs. Vielleicht ist das ja Teil der Lösung?

Mitten in diesem Chaos fand das alleralleraller aufregendste für uns statt: Wir luden all unsere Verwandten, unsere Freunde und die Menschen aus Waldkappel zu einer Videokonferenz ein, bei der wir uns mit unserer Vision vorstellten und den offiziellen Start für unser Crowdfunding einläuteten. Wir fühlten uns, wie bei einer Schulaufführung, übten noch bis zur letzten Minute unsere spontan zusammengebastelte Präsentation und kicherten im Bad vorm Spiegel, wo wir zur Freude unserer Mamas und Papas noch die Haare ordentlich kämmten. Dann waren tatsächlich fast 60 Menschen auf unserem Bildschirm versammelt und wir freuten uns riesig über den Rückenwind, das Wohlwollen und die ersten Absichtserklärungen für Genossenschaftsanteile.

DANKE!

Seitdem trudeln immer weiter Genoanteile ein, die stets mit viel Freude am Küchentisch oder in unserer Telegramgruppe bejubelt werden. Wir sind sehr berührt, dass auch Menschen, die wir kaum kennen ihr Geld bei uns parken wollen, wie viele Menschen unser Video in ihre Kanäle streuen und wir von Menschen von überall liebe Mails bekommen! Dank all den großen und kleinen Beiträgen haben wir nun fast 200 000 Euro zusammen und brauchen nur noch 80 000 um die Fuchsmühle im Februar kaufen zu können und erste Sanierungen zu machen! Wir freuen uns, wenn ihr unser Video in eure Netzwerke teilt! Vielleicht fallen euch auch noch Menschen ein, die ihr Geld gerne bei uns für eine Zeit unterstellen wollen? Erzählt gerne von uns, oder gebt uns Tipps & Feedback! Hier ist das Prachtstück: https://www.youtube.com/watch?v=vA_iJzKJnZM

Von so viel Aufregung waren wir alle ziemlich erschöpft und tauchten, bevor der kulturelle Zyklus losgehen sollte nochmal in die Müdigkeit, die Ernte und dann wieder die Stille ein. Diesmal roch die Stille anders: Nach Zimt, Nelken und veganem Hirsetiramisù. Und natürlich entstand aus ihr auch etwas ganz Neues. Aber davon erzählt dann jemand ein anderes Mal.

Zum Abschluss noch unser “theme song” für die letzte Zeit, “Slow Up on me” von Jacob Banks: https://www.youtube.com/watch?v=LsgNG-L6aw4

Wir hoffen ihr genießt die immer heller werdenden Tage!

Luisa

P.S.: Keine Ahnung, wie das hier mit den Kommentaren geht. Wenn ihr Gedanken gern mit uns teilen wollt, schreibt einfach an regionimwandel@riseup.net

 

Dezember 

Schritte im Schnee

von Luisa

Heute kam der Schnee zu uns. Irgendwie ist alles plötzlich stiller, sanfter und auch ein bisschen magisch. In unserem Haus wird das Tosen ruhiger, es formt sich ein Takt ein Rhythmus klingt durch die Zimmer und hilft uns nicht zu hasten. Das weiß strahlt in unsere Räume hinein und macht sie heller.

Es ist schnell hier, wenn wir nicht wissen, was wesentlich ist. Es ist schnell hier, wenn wir das Gefühl haben etwas ist sehr wesentlich. Es ist schnell hier, wenn wir uns nicht mehr fühlen können und an unseren Häuten rütteln, um nicht mehr so allein zu sein.

Wir halten unsere Hände, die manchmal ganz groß und manchmal ganz klein sind. Wir sprechen Worte, erheben die Finger, wir werfen uns Blicke zu, manche davon sind wesentlich. Auch an anderen Orten, sind sie da die Hände. Ich spüre sie in meinem Rücken beim Geld abheben in der Bank, auf meinem Kopf mit deiner Mütze, in meinen Worten und dem Takt in dem ich gerade meine Schritte. Auf die Erde setze. Eure Hände sind da.

 Dann sind! Wir müssen! Schnell! Feuer! Getrieben! Die Welt! Sei doch so und so! Retten! Jetzt! Die Zeit! Wir sind! Zu langsam! Drängt! Ich halte! Ich halte! Ich halte! Die Zeit! Den Schmerz nicht aus! Ich will nur noch rennen! In die Landschaften! Und brüllen! Nach dem Leben!

Der Schmerz ist groß. Ich lebe in dieser Zeit, hier und jetzt, mit der Haut und den Haaren die ich trage, trage ich auch das Erbe. Der Schmerz ist groß. Ich liebe die Erde. Es lässt mich zittern, es lässt mich unsagbar mutig werden, es lässt mich verstummen, es lässt mich fallen.

Dann kommt der Schnee. Und mein Klang wird so sanft wie der Schnee. Das Feuer bekommt seinen Platz in unserem Kamin.

Eigentlich dachte ich, diese Morgende im Schnee nie wieder zu erleben. Und tauche ein in eine Zeit, in der ich noch nichts von Kollapsen wusste und mir niemand sagte, während wir mit dem Auto in die Berge fuhren, dass die Zeiten von staunenden Morgenden im Schnee bald vorbei sein werden. Der weiße Morgen kommt mir wie ein verspätetes Geschenk vor. Ein alter Kinderfreund kommt nochmal um sich zu verabschieden. Wie oft wird er wohl noch kommen?

Wir setzen Schritte. In den Schnee.

November 2020

Es wird dunkel

von Luisa

Der Herbst ist nun mit seiner dunklen Seite bei uns angekommen. Die Kraniche flogen über unsere Mühle gen Süden und der große Walnussbaum trägt fast schon keine Blätter mehr. Gut, dass wir es so gemütlich haben!

Gründungsfreuden

Wieder ist viel passiert in den letzten Wochen! Nachdem wir erfolgreich unseren gemeinnützigen Verein gegründet haben, der vor allem für unsere Projekte in der Region den rechtlichen Rahmen bildet, geht die Genossenschaftsgründung in die heiße Phase. Wir sitzen mit rauchenden Köpfen über Finanzplänen und lernen viel über Abschreibungen, Bilanzen und Rücklagenbildung. Das hätten wir auch nicht gedacht, dass wir das mal für eine gesellschaftliche Transformation würden lernen müssen.

Sexismus und Apfelmus

Auch in unserer Küche wuselte es. Es wurden Martinshörnchen, Apfelstrudel, Zimtschnecken und Sauerteigbrot gebacken. Wir haben Kombucha gemacht, tonnenweise Apfelmus, milchsauer eingelegtes Gemüse und Schlehen wie Oliven eingelegt.

 

Nun geht unser erster Zyklus mit dem Neumond zu Ende, in dem wir uns viel mit der sozialen Dimension der Transformation beschäftigt haben. Aus diesem riesigem Feld spukte vor allem ein Thema in unseren Köpfen: Sexismus. Denn natürlich verschwinden nicht all die Prägungen, die wir in der sexistischen Gesellschaft, in der wir aufgewachsen sind, nicht, wenn Menschen beschließen in eine Gemeinschaft zu ziehen und sich nach Bedürfnissen zu organisieren. So stießen wir in der Küche, vor der Kamera, im Plenum, in den Arbeitsgruppen und an unserem Küchentisch auf die Hinterlassenschaften dieser strukturellen Gewalt. Privilegiert wie wir sind konnten wir uns auch einen ganzen Tagesworkshop mit Nora leisten, die uns für einen Samstag besuchte. Außerdem basteln wir in unseren Köpfen an einer Performance zum Thema „Männlichkeiten*“ und lesen und hören fleißig Artikel und Podcast zu dem Thema, das uns wohl für immer begleiten wird und fragen uns welche antisexistischen Strukturen wir in unserem Gemeinschaftsleben verankern können.

 

Wie machen wir das jetzt mit dem Wandeln?

Für ein Wochenende haben wir uns auch der Frage nach unserer politischen Strategie gewidmet. Wir gaben uns Input über verschiedene historische Beispiele sozialer Bewegungen und Strategieansätze und saßen zwischen großen Postern mit vielen vielen Post-it auf denen wir unsere Netzwerke kartierten. Im ökonomischen Zyklus werden wir dann aus den Ergebnissen dieses Wochenendes konkreter an Projekten feilen, mehr verraten wir hier noch nicht.

 

Never ending Einziehen

Neben diesen inhaltlichen Fäden, beschäftigt uns auch noch das Ankommen und Einziehen jeden Tag. Einige Kisten sind immer noch nicht ausgepackt, der Bau unserer Küche schreitet beständig voran, wir bekommen wunderschöne Möbel aus Hausauflösungen geschenkt, Thilda baut täglich irgendwelche grandiosen Dinge und die Organisation von unseren Sorgetätigkeiten wird immer ausgefuchster.

Wandernde Geschichten

Leider können wir nicht mehr zum lustigen Kaffeeklasch einladen, obwohl unsere Backkünste jeden Tag zunehmen. Die Zeiten des Abstands sind wieder da. Dabei haben wir uns doch vorgenommen auch bei jedem Zyklus etwas für die Region zu tun. Natürlich hätte im sozialem Zyklus ein Fest oder eine Zukunftswerkstatt angestanden, etwas was Menschen zusammen oder ins gemeinsame Visionieren bringt. Stattdessen wandern nun Briefe in Waldkappel umher, in denen Menschen eine Geschichte zum Weiterschreiben cokreieren: Alle schreiben einen Satz und geben die Geschichte an eine*n Nachbar*in weiter. Am Ende landen die Geschichten den hoffentlich bei uns, dann teilen wir sie gerne auch hier!

 

Landeplätze für Investitionen bereiten

Damit bald ganz viel Geld bei uns sicher geparkt werden kann, anstatt auf der Bank zu versauern, bereiten wir gerade unser großes Crowdfunding vor. Neben der Gründung unserer Genossenschaft brauchen wir dafür natürlich ein knackiges Video mit unserer Vision und viele Menschen, die uns bei sozialen Medien folgen. Deswegen waren viele von uns in den letzten Tagen damit beschäftigt unsere Geschichten in Kameras zu sprechen ohne uns zu verhaspeln, zu schneiden, Bilder zu posten und Nachrichten zu beantworten. Wir sind nun auf Facebook, Instagram und Youtube zu finden und haben außerdem einen Telegram Chanel Außerdem trudeln nun die ersten Spenden bei uns ein und lösen freudiges Gekreische beim Mittagsessen aus und unser Hütekreis wächst und wächst.

Herbstlichkeiten

Während ich diese Geschichten auftippe, scheint es mir, als würde ich von vielen parallelen Explosionen erzählen und manchmal fühlt sich das auch wirklich hier so an. Dann läutet unsere Glocke sieben Mal am Tag um irgendwelche Arbeitskreistreffen anzukündigen, dann kommt eine aufregende Mail nach der anderen in unser Postfach, dann freuen wir uns wieder uns wieder über die schönen Kontakte mit den Menschen hier und eine spannende Neuigkeit nach der anderen wird erzählt, während wir unsere Hirse löffeln.

Neben dieser Reizüberflutung und Schnelligkeit gibt es aber auch die stillen Momente. An nebeligen Morgen stapfe ich hinter unserem Haus über die Weiden und kann die Graureiher begrüßen, die mir schon ganz vertraut sind. Das gemeinsame Innehalten vor dem Essen, an denen wir uns an den Händen halten und die Abende an denen wir uns in dicke Decken kuscheln und Brüder Löwenherz vorlesen. Und manchmal bin ich ganz dankbar, dass der Herbst da ist und uns mit seiner Stille und Dunkelheit daran erinnert nicht zu vergessen den Herbst in uns ein Zuhause zu geben: Zeiten der Ernte, des Feierns, des einander Nährens und des Loslassens.

Luisa

Ein Loblied auf die Eckbank

Mein liebster Platz in Fuchsbau ist unsere Eckbank. Sie ist aus Eichenholz und auf ihr liegen eigens für sie geschneiderte Sitzkissen in blauen Karos. Sie steht in unserem immer warmen Esszimmer. Dort steht auch unser weißer Grundofen, auf den immer wieder Menschen ihre Hände legen wie auf einen alten tröstenden Freund.

Auf unserer Eckbank bin ich  gleichzeitig mitten im Geschehen und kann mich im richtigen Moment verstecken. Schon als Kind liebte ich es mitten im Geschehen und trotzdem verborgen zu sein. Saßen viele Menschen um unseren großen Tisch konnte ich ihnen die Hausschuhe klauen und sie an den schutzlosen Füßen kitzeln, sodass sie den Kartoffelbrei über den Tisch prusteten. Diese Leidenschaft kann ich jetzt unter unserem großen Eichentisch wieder entdecken. Der Tisch und die Eckbank waren übrigens schon da als wir einzogen. Sie standen da mit ihren 12 Plätzen und warteten auf uns, als wären sie nur dafür gemacht worden, dass eine Horde neugierige Gemeinschaffende sich auf ihnen nieder zu lassen.

Wenn ich an unsere Gemeinschaft denke, dann höre ich auch zuerst das Stimmengewirr in diesem Raum, in dem so vieles passiert. Die Wichtigkeit eines Plenums wirkt gar lächerlich, wenn man bedenkt welche Themen, Konflikte und Entscheidungen an unserem Küchentisch ausgetragen werden. Auch Gäste, Nachbarsleute und Freund*innen werden hier empfangen, es werden Geschichten erzählt, bis in die Nacht diskutiert, gelacht, geweint, gestritten, sich wieder versöhnt, geträumt, geplant und gefeiert. Der Küchentisch wird das Zentrum der Menschlichkeit. Ich darf es versteckt erforschen. Wie ein Forscherin hinter einem Busch ein neuartiges Wesen durch ihr Fernglas beobachtet, liege ich dort auf den karierten Kissen und lausche dem Stimmengewusel.

 

 

 

Oftmals sind uns diese informellen Räume nicht so wichtig. Sie sind das vergnügliche „Zwischendurch“, bevor dann das „Eigentliche“ in den Plena passiert: In Sozialplena, Orgaplena, Finanzplena und Arbeitsgruppen. Dort haben die gesprochenen Worte immer ein klares Ziel, sind strukturiert, lösungsorientiert und linear. Anders sind da dich Küchengespräche: Besprochen wird was gerade da ist. Es hat kein Ziel und die Gespräche bewegen sich meist kreisend, nicht-wissend, impulsgesteuert. Mal steht jemand auf und geht eine andere kommt und setzt sich dazu, irgendwann überkommt alle ein Gefühl von Ende und die Wege zerstreuen sich wieder. Wieder – wie wir das schon aus so vielen anderen Bereichen kennen – wird das rationale Plenumsgespräch bei dem es um Produktivität, Struktur und technische Absprachen geht dem nährendem, reproduktivem, prozessorientiertem, fließendem Küchentischgespräch übergeordnet.

Ich plädiere für eine Ehrung der Eckbank. Für die bewusste Wertschätzung der Räume in denen wir unkonzentriert, schlürfend, angekuschelt (das kann man nämlich auf Stühlen nicht, ein weiterer Punkt für die Eckbank!) das bewegen, was uns bewegt. Sie sind nicht der Füllstoff, der Zeitvertreib bis dann das Eigentliche passiert. Diese Räume sind das Wesentliche, was für mich Gemeinschaft ausmacht und was mich nährt. Sie sind das Zentrum in dem wir das pflegen und gestalten, was wir sind.

Oktober 2020

Lauschen und Landen

von Tabea

Jupdaduuu….wir sind am Landen, wobei vielleicht fliegen und schwirren wir noch vielmehr umher. Hier ist unser erstes Update seit unserem Einzug. Bei unserem Landeflug passiert vieles gleichzeitig. Einziehen, bauen, uns gegenseitig und die Umgebung kennenlernen, aktiv in unseren Arbeitsgruppen werden….Einen kleinen kreativen Einblick, könnt ihr im Video hier erhalten:

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Während ich hier im Esszimmer an unserem großen, vollgestellten Tisch sitze und es in der Küche brutzelt, höre ich wie draußen die Regentopfen an unsere Fenster schlagen, die darauf warten endlich gestrichen zu werden. Ich lausche eine Weile und freue mich, wie viel mehr noch zu hören ist in unserem frisch bezogenen Fachwerkhaus von 1900: Klaviergeklimper, Diskussionsgesumm, Papiergeraschel, Treppenschritte. Ich freue mich darauf, ins gemütliche Wohn- und Wirkzimmer zu den anderen zu gehen, weiter an unseren Vorhaben zu feilen, aus dem Fenster zu schauen und die Herbstfarben zu genießen.

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WAS BISHER GESCHAH

Am 01. Oktober sind wir mit 11 Personen in die Fuchsmühle eingezogen. Für die nächsten 5 Monate verschreiben wir uns einem “Prototypen” – einer Zeit, wo wir erproben gemeinschaftlich zu wohnen und zu wirken. Während dieses Zeitraums wollen wir eine solide Grundlage aufbauen, um hier in der Region tätig zu werden. Unter anderem wird es darum gehen, die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen für eine langfristige Gemeinschaft aufzubauen.

Außerdem widmen wir uns in dieser Zeit in fünf Zyklen jeweils einem Forschungsthema unter der Leitfrage: wie kann eine zukunftsfähige Region aussehen? Jeder Zyklus dauert 28 Tagen und orientiert sich sowohl an den Mondphasen als auch an den vier Dimensionen regenerativer Entwicklung des Global Ecovilage Network

01.10.-15.10.     —    Ankunft: Lauschen & Landen
16.10.-14.11.     —    Soziale Regeneration
15.11.-13.12      —    Ökonomische Regeneration
14.12. – 12.01.   —    Kulturelle Regeneration
13.01. – 10.02.   —    Ökologische Regeneration
11.02 – 27.02.    —    Ernte & Abschluss des Prototypen

Die ersten zwei Wochen waren dem Lauschen & Landen gewidmet. Anstatt Augen zu und drauf los, erstmal Augen und Ohren auf und trotz tausender To-Do´s horchen, was gerade wirklich wichtig ist. Das war nicht immer ganz einfach,

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